„Heute hast Du – Herr, heiliger Vater – den Heiligen Geist gesandt über alle, die Du mit Christus auferweckt und zu Deinen Kindern berufen hast“, heißt es in der Präfation zum Pfingstfest.
Ein Gemälde aus der Barockzeit, das sich an der Erzählung der Apostelgeschichte orientiert, möge helfen, das Festgeheimnis zu beleuchten. Dargestellt ist der Augenblick, da die in Jerusalem versammelten Jesus-Freunde vom Heiligen Geist erfüllt werden: die Apostel, Maria, Jüngerinnen und Jünger – Begleiter des irdischen, Zeugen des auferstandenen Herrn, die seit seiner Himmelfahrt gleichsam verlassen und verwaist, aber einmütig im Gebet verharrten und die versprochene Kraft des Heiligen Geistes erwarteten.
Ihren Gesichtern ist anzusehen, wie überrascht, erschrocken, ergriffen sie sind von der Wucht des Ereignisses, das da plötzlich über sie hereinbricht und über die Sinne bis ins Herz dringt: Sie hören vom sturmbewölkten Himmel her ein Brausen wie von einem heftigen Wind; sie sehen Zungen wie von Feuer und spüren, wie sich diese auf ihnen niederlassen.
Wind und Feuer sind hier nicht zuerst als beeindruckende Naturgewalten zu verstehen, vielmehr bezeichnen sie – wie schon das Alte Testament vielfach berichtet – das wirkmächtige, wahrnehmbare, aber niemals begreifbare Handeln Gottes, seine reale Erscheinung bei den Menschen. Dem Propheten Elija etwa offenbart sich Gott in einem sanften, leisen Säuseln, nachdem zuvor ein starker, heftiger Sturm vorübergezogen war. Und das Feuer erinnert beispielsweise an den brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch, in dem sich Gott zu erkennen gibt und seinen Namen nennt: „Ich-bin-da“.
An Pfingsten aber wird Gottes Gegenwart für diejenigen, die sich vorbehaltlos zu Christus bekennen, nicht nur äußerlich wahrnehmbar – Gottes Wirklichkeit reicht viel tiefer; sie geht unter die Haut, dringt in die Mitte der Person vor: Die Versammelten – alle zusammen und jede/r Einzelne – werden vom Heiligen Geist erfüllt: Er haucht ihnen neues Leben ein, er verströmt sich in seiner Zuwendung, er verschenkt sich in personaler Begegnung. Der Heilige Geist bewirkt, dass sie alle zum Bruder, zur Schwester Christi werden, zur Gemeinschaft von Gottes geliebten Kindern, denen sich der Himmel öffnet – wie einst bei der Taufe Jesu im Jordan, als der Heilige Geist in Gestalt der Taube sichtbar wurde.
Von nun an ist die Gemeinde Christi eine be-geisterte. Sie brennt für den Herrn. Sie strömt über von Lobpreis und Dank gegenüber Gott und verkündet freimütig das Wort Gottes an die Menschen, welcher Sprache sie auch sein mögen.
In dieses Pfingst-Geschehen sind auch wir hineingeholt – heute.
Susanne Kaup