Ein weltpolitischer Blick in die Felder des Marxhofs

Unser Marxhof in Unterhaching stellt sich den Herausforderungen

Dunkle Gewitterwolken über unserem Rapsfeld – der Krieg in der Ukraine hat enorme Auswirkungen auf die Landwirtschaft weltweit.

Vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage rückt derzeit die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten in den Mittelpunkt des Interesses. Der Verwalter unseres Marxhofes in Unterhaching, Jan Niggemann, wirft einen Blick auf die von ihm bewirtschafteten Felder und stellt einen Zusammenhang her mit der Weltpolitik:

 

Die Situation: Ukrainekrieg und Klimawandel

Der Weizen ist derzeit in allen Nachrichten präsent, er ist das weltweit am meisten angebaute und gehandelte Getreide. Generell ist es so, dass die Weltversorgung mit Getreide in normalen Jahren gesichert ist, allerdings aufgrund der steigenden Weltbevölkerung auch nur, wenn jährlich immer mehr produziert wird. 2022 liegt der prognostizierte Mehrverbrauch im Vergleich zum Vorjahr bei ca. 4,5 Mio. Tonnen! Bereits vor dem Ukraine-Krieg war die Versorgungslage maximal ausgeglichen und durch den Krieg hat sich diese in ein deutliches Minus umgekehrt.  

Bezogen auf die Ukraine gibt es auf der einen Seite große logistische Probleme, das im Land lagernde Getreide der Ernte 2021 ohne die Häfen zu exportieren und auf der anderen Seite aufgrund der Kriegshandlungen die neue Ernte 22 überhaupt bis zur Ernte zu bekommen. Zerstörte oder verminte Felder, fehlendes Personal auf den Höfen wegen dessen Einsatz an der Front, zerstörte Infrastruktur wie z.B. Lagerhäuser, Molkereien, Zuckerfabriken, Straßen und fehlende Betriebsmittel wie Diesel und Dünger.

Aufgrund der immensen Zerstörungen und insbesondere des Wegfalls der meisten Schwarzmeer-Häfen geht derzeit keiner davon aus, dass sich diese Situation – auch im Friedensfall – in absehbarer Zeit deutlich verbessern wird.

Hinzu kommen immer mehr Meldungen aus der ganzen Welt, wo die Ernten durch Witterungsextreme kleiner ausfallen und so alle Analysten davon ausgehen, dass weltweit heuer die Erntemenge erneut deutlich hinter dem Verbrauch zurückbleibt. Die Folge sind sehr nervöse Agrarmärkte, welche diese Unsicherheit und absehbare Versorgungslücken über stark angestiegene Preise für alle Agrargüter wiederspiegeln.

 

Weizen

Wir haben heuer in der Kooperation (Marxhof und Weise-Hof) 44 Hektar Winterweizen ausgesät. Eine im Jahresvergleich für uns recht große Fläche, allerdings hat sich das allein über die Fruchtfolge ergeben und letztlich war der Weizen ja bereits lange gesät, bevor die Ereignisse in der Ukraine begannen. Der oft gehörte Satz „jetzt müsst Ihr aber viel Weizen anbauen“ ist fachlich nicht durchführbar, weil jeder Betrieb durch eine logische Abfolge seiner Feldfrüchte, die sog. Fruchtfolge, in weiten Teilen über Jahre festgelegt ist und aus ackerbaulichen Gründen nicht einfach davon abweichen kann.

Wir rechnen mit einem Ertrag von ca. 8,5 t/ha, in Summe also knapp 400 Tonnen. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Weizenmehl in Deutschland liegt bei ca. 70 kg, so dass wir mit unserer Ernte rechnerisch fast sechstausend Menschen versorgen können. Darauf sollte man wieder stolz sein.

 

Raps

Für jeden Haushalt spürbar wurde merkwürdigerweise die Kriegssituation mit den stark angestiegenen Preisen für Speiseöle. Kostete ein Liter Sonnenblumen- oder Rapsöl zuvor teilweise unter einem Euro pro Liter, so stiegen diese innerhalb einer Woche auf 5 Euro und die Ware musste in den Supermärkten sogar rationiert werden. Die Ukraine ist weltgrößter Exporteur von Sonnenblumenöl und ebenso ein gewichtiger Rapsproduzent. Generell kann der steigende Verbrauch von Speiseölen in Europa seit Jahren nicht durch die einheimische Produktion gedeckt werden und der Wegfall eines der größten Lieferanten brachte das Fass natürlich zum Überlaufen. Der Rapspreis lag nach der Ernte 2021 bei bereits sehr guten 450 €/Tonne, nach einem extremen Peak von 1.000 € nach Kriegsbeginn liegen wir derzeit bei ca. 800 €/to. Für uns als Erzeuger natürlich eine sehr erfreuliche Situation, weltweit aber durchaus ein extrem großes Problem.

Wir haben heuer in der Kooperation fruchtfolgebedingt eine vergleichsweise kleine Rapsfläche von ca. 22 ha. Bei einem angenommenen Ertrag von 4 t/ha reden wir von knapp 90 t Erntemenge. Der Ölgehalt der Rapskörner liegt zwischen 42 und 46 %, so dass wir damit immerhin ca. 40.000 Liter Rapsöl auf unseren Flächen erzeugen. Die ausgepressten Rapskörner bezeichnet man als Rapsschrot, dieser wird als Eiweißfutter in der Tierhaltung verwendet und ersetzt damit einen Teil des weitgehend importierten Sojaschrots.

 

Soja

Bereits das zweite Jahr bauen wir im Rahmen des KULAP-Förderprogramms „Vielfältige Fruchtfolge mit blühenden Kulturen“ Sojabohnen an. In der Kooperation auf immerhin 34 ha. Die Sojabohne ist zwar auch eine Ölfrucht und wird in Ölmühlen gepresst, allerdings hat sie nur einen Ölgehalt von ca. 20 % und das Hauptaugenmerk liegt auf dem entstehenden Sojaschrot für die Tierfütterung.

Der Großteil des in der EU benötigten Sojaschrots wird nach wie vor importiert. Allerdings ist Importsoja zum Großteil gentechnisch verändert und man möchte auf lange Sicht wegkommen von dieser in Europa nicht zugelassenen Züchtungsform. Klimatisch bräuchte Soja eher wärmere Regionen, allerdings ernten wir bei uns aufgrund der besseren Böden trotzdem deutlich höhere Erträge als beispielweise in den USA. Ein kleiner Teil der Ernte geht auch in die Speiseindustrie, Soja ist Grundstoff des bei Vegetariern beliebten Tofus.

Soja ist nicht direkt von den Kriegsereignissen betroffen, allerdings ist auch hier die Weltversorgung sehr eng und entsprechend die Nachfrage groß und die Preise hoch.

 

In Notsituationen ändern sich die Betrachtungsweisen

Durch die Kriegsereignisse sind viele Preise extrem gestiegen: Öl, Gas, Nahrungsmittel, Baustoffe, Zinsen etc. Die Folge sind zunehmend klamme Kassen bei den Verbrauchern und sehr preisbewusstes Einkaufen mit der Abkehr von in der Pandemie stark gestiegenen Marktsegmenten. Beispielsweise haben bereits einige Lebensmittelläden ihre höherpreisigen „Regional-Ecken“ aufgelöst und Bioläden mussten im Mai einen Umsatzrückgang von 18 % verkraften.

In der Politik nimmt das Thema Ernährungssicherung einen immer bedeutenderen Platz ein, da der Hunger in der Welt letztlich unkontrollierbare Flüchtlingsströme in Richtung Europa auslösen kann. Wir sind derzeit mit einem kriegs- und wetterbedingten weltweiten Produktionsrückgang von einigen Prozent schon fast nicht mehr in der Lage, die Welt zu ernähren, unter diesen Umständen lassen sich viele Ansätze der Extensivierung, beispielsweise die Forderung nach mehr Bio-Anbau, fast nicht mehr befürworten, da Ertragsrückgänge auf 50 % und weniger in dieser Betriebsform unausweichlich sind.

Wir sind in Europa in der glücklichen Lage, fruchtbare Böden und ein vergleichsweise kalkulierbares Klima zu haben und können so auch unter Beibehaltung unserer nachhaltigen und verantwortungsvollen Bewirtschaftung unseren Teil zur Verkleinerung dieses immensen weltweiten Problems leisten.

Unsere Kulturen sind bis jetzt in einem hervorragenden Zustand, das richtige Maß an Wärme und Niederschlag hat bei uns im Unterschied zu vielen Regionen in Deutschland für optimale Wachstumsbedingungen gesorgt. Einzig die Hitze der vergangenen Tage hat bereits erste Spuren in den Weizenfeldern hinterlassen, hier zeigt sich auf Stellen mit wenig Humusauflage schon deutlicher Wasserstress. Die Ernte ist erst dann gelaufen, wenn alles Getreide daheim ist… dieser alte Satz gilt jedes Jahr aufs Neue und so hoffen wir, dass wir bis dahin von zu großer Hitze und vor allem Hagel verschont bleiben.

Jan Niggemann